Werkeinführung zu unserem Konzert am 20.05.2007
Joseph Haydn
Die Jahreszeiten Hob. XXI
“Die ‘Jahreszeiten’ haben mir den Rest gegeben. Ich hätte sie nicht schreiben sollen”, bemerkte Haydn (1732 – 1809) einmal zu seinem zweiten Oratorium. Auf seinen zwei Englandreisen in den 1790ern hatte der Wiener Komponist das Potential großer Oratorienkompositionen kennengelernt. Händel wurde nach wie vor aufgeführt und vom Publikum verehrt und so sann Haydn über die Komposition eigener Oratorien nach. Mit John Miltons “Creation” und James Thomsons “The Seasons” brachte er sich englische Textvorlagen in die Heimat mit, wo ihn der Wiener Hofbibliothekar, Baron Gottfried van Swieten, drängte, das Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Van Swieten war ein Liebhaber der Oratorienkunst und organisierte regelmäßig private Aufführungen von Händel-Oratorien. Mozart schrieb aus diesem Anlass seine deutsche Fassung des “Messiah” und Haydn ließ sich schließlich auf die Zusammenarbeit mit dem Amateurdichter ein. Van Swieten übersetzte das Versepos “Creation” ins Deutsche und obgleich Haydn vom Libretto nicht sonderlich begeistert war, ging die Arbeit zügig vonstatten. Die “Schöpfung” wurde ein großer Erfolg und machte Haydn über Nacht zu einem Stern am Komponistenhimmel.
Schon während der ersten Aufführungen der “Schöpfung” arbeitete er an den “Jahreszeiten” und das Publikum erwartete deren Uraufführung sehnsüchtig. Doch die Entstehung sollte sich noch zwei Jahre mühsam hinziehen. Immer wieder mischte sich van Swieten in die musikalische Umsetzung ein, er verlangte üppige tonmalerische Umsetzungen der Naturschilderungen und ließ Haydn wenig kreativen Freiraum. Empört über den rechthaberischen Starrsinn des Barons kritzelte er bei der Korrektur des Klavierauszugs eine Notiz in die Noten: “Diese ganze Stelle […] ist nicht aus meiner Feder geflossen; es wurde mir aufgedrungen, diesen französischen Quark niederzuschreiben.”
In Oratorien waren es üblicherweise Helden der Antike oder des Christentums, die durch profonde Themen führten, genau wie in der “Schöpfung”. In den “Jahreszeiten” sangen hingegen Bauern von irdischen Belanglosigkeiten und Haydn hatte große Probleme, sich damit anzufreunden. Dennoch gelang ihm im Frühjahr 1801 die Fertigstellung einer großartigen und zukunftsweisenden Komposition. Ideen der idyllischen Naturverbundenheit und der Flucht ins Private verweisen bereits auf die herannahende Kulturepoche des Biedermeier und Romantiker wie Weber, Schubert oder Lorzig inspirierten sich bald am volkstümlichen Ton des Haydn-Oratoriums.
Dem Jahreszeitenzyklus entsprechend ist es in die vier Teile eingeteilt. Eine stürmische G-Moll-Einleitung vollzieht den Übergang vom Winter zum Frühling, der vom Chor freudig begrüßt wird. Wohlgemut pfeift Pächter Simon (Bass) sich mit dem Thema aus der “Sinfonie mit dem Paukenschlag” bei der Arbeit ein Lied und bringt damit eines der seltenen Selbstzitate Haydns. Seine Tochter Hanne (Sopran) und Bauer Lukas (Tenor) stehen ihm zur Seite. Ähnlich wie in Vivaldis “Jahreszeiten” erklingt auch hier ein Loblied auf den Wein im Sommer und ein Jagdlied im Herbst, und im fugaten Schlußchor gen Winter werden ernstere Töne angestimmt, wie man sie aus der Schöpfung kennt.
Haydn mag das Libretto nicht gemocht haben, seine Komposition fand ihre Bewunderer. So stand im Winter 1801 in einer Ausgabe der “Zeitung für die elegante Welt”: “Demungeachtet hat und behält das Werk unübertreffliche Schönheiten, herrlich und großartig gearbeitete Partien und Tongemälde […], wodurch es sich zu allen Zeiten auszeichnen wird.”
LeV